Jedes 4. Kind kommt ohne Frühstück in die Schule Bündnis gegen Ernährungsarmut formiert sich
Hannover, der 30.11.2023
Jedes 4. Kind kommt ohne Frühstück in die Schule. Mit dieser bedrückenden Nachricht startete die Veranstaltung „Gemeinsam gegen Ernährungsarmut“ des Ernährungsrats Hannover und Region am 24. November 2023. Eindrucksvoll berichteten Schülerinnen und Schüler einer Grundschule, woran es in der Schule oft mangelt: gute, gesunde Ernährung für alle Kinder. Wie der triste Alltag in Schulmensen zurzeit in vielen Schulen aussieht, berichteten Betroffene: „Allein der Geruch schreckt schon ab.“ (eine Lehrerin) „Meine Kinder weigern sich, am Mensaessen teilzunehmen.“ (ein Elternteil) „Oft bekommen Kinder kein Essen: nicht gebucht, nicht bezahlt.“ (eine Lehrerin). „Kein gesundes Essen, zu teuer, schlechtes weil geschmackloses Essen“, so eine Schülervertreterin, sind weitere Gründe, viele Schulmensen erst gar nicht zu besuchen. Und dann noch die Hürden der Anträge für Bildung und Teilhabe (BuT genannt): „Was bedürftigen Menschen zusteht wird heute nur zu rund 31% abgerufen. Die Hürden sind für viele fast unüberwindbar“, so eine Vertreterin der Verwaltung. „Intensive Betreuung ist notwendig.“ Gekommen waren u.a. Vertreterinnen und Vertreter der Parteien im Stadt- und Regionalparlament, Schulleiter*innen, Lehrer*innen, Eltern, Schülervertreter*innen, Sozialverbände, Gewerkschaften, Bildungsträger, Sportvereine, Landfrauen, Vertreter*innen der Kirche, NGOs und Caterer. In Gruppen wurde intensiv diskutiert und nach Ansätzen zu Lösungen gesucht. „Ernährung muss Teil der Bildung und fest in den Lehrplänen und im Schulablauf verankert sein“, darüber waren sich viele einig. Auch darüber, dass „Politik auf kommunaler und Landesebene die Bedeutung von Ernährung und die Auswirkung von Ernährungsarmut bei Kindern nicht sieht, ja gar nicht begreift“, so eine Vertreterin der Sozialverbände. Aber es gibt auch gute Beispiel bzw. Fortschritte, da wo sich Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler gemeinsam für gute Ernährung und Nachhaltigkeit engagieren. So hat die IGS List eine Portionierung von Wahlspeisen eingeführt. Mehr Schülerinnen und Schüler als vorher nutzen das Angebot und: seitdem ist die Menge an Lebensmittelreste um 2/3 gesunken. „Doch was passiert, wenn dieses Engagement in der Schule wegfällt?“ „Und was, wenn die Ganztagesschule ab 2026 Pflicht wird?“ Diese Veranstaltung war Auftakt für ein „Bündnis gegen Ernährungsarmut“ in Hannover und der Region. Viele Forderungen und konkrete Ideen für eine Veränderung wurden gesammelt. Sie umfassen ein breites Band von der „Vereinfachung des Bestellwesens für Schulessen“ bis zu „kostenloses Schulessen in Ganztagsschulen als Beitrag zur Armutsbekämpfung“. Daran wird die nächsten Monate weitergearbeitet. Am 5.März.2024 sollen im Bündnis zeitnahe Handlungsempfehlungen konkretisiert werden. Das Netzwerk der Ernährungsräte Niedersachsens unterstützt dieses Bündnis. „Ernährungsarmut und die Folgen betreffen nicht nur Hannover und Region, sie betreffen das gesamte Bundesland Niedersachsen“, so der Sprecher des Ernährungsrats Niedersachsen e.V., Peter Wogenstein. „Mehr als jedes 5. Kind wächst in der Bundesrepublik in Armut auf“ (1). Die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sind verheerend: sie haben mehr Stress, werden häufiger gemobbt als ihre Alterskameraden, haben ein höheres gesundheitliches Risiko. „Kindergrundsicherung und damit die Investition in unsere Kinder, in unsere Zukunft, beginnt mit gesundem Essen in der Schule für alle.“ Die Studie der OECD (2022) beziffert die Kosten, wenn wir nichts gegen Kinderund Ernährungsarmut und ihre Folgen tun, auf 3,4 % des BIP (Bruttoinlandsprodukts),. Das sind für die Bundesrepublik rund 130 Mrd. EUR für 2022. „Das darf uns nicht kalt lassen. Alle in unserer doch wohlhabenden Gesellschaft sind aufgerufen, dagegen etwas zu tun“, so Daria Kistner, Vorsitzende des Ernährungsrats Hannover und Region zum Schluss der Veranstaltung. „Es braucht eine Transformation der Schulverpflegung.“
(1) Kinderarmut in Deutschland. 7/2020 Bertelsmann Stiftung)